Langsam Essen - Warum ist Slow-Eating gesünder für uns?
Im Prinzip hat das wohl jeder als Kind mit auf den Weg bekommen, dass man zu Tisch doch bitteschön langsam essen soll. "Kind, schling nicht so, sonst bekommst Du später einmal Probleme mit deinem Magen-/Darmtrakt", hiess es beispielsweise immer von meinen Eltern. Vielleicht hätte ich gut daran getan damals darauf zu hören, denn die Quittung kam später mit Anfang 30, als meine Verdauungskanäle das erste Mal in den Vollstreik getreten sind.
Mit Sicherheit war meine jahrelange Gewohnheit mein Essen überdimensional schnell hinunterzuschlingen „ein“ Faktor von vielen, welche mich damals an diesen unsäglichen Punkt gebracht hatten. Aber es ist nie zu spät um mit "besseren" Essgewohnheiten anzufangen. Hier deshalb ein paar Tipps aus dem Nähkästchen für Einsteiger.
Warum sollte man sich beim Essen Zeit lassen?
Ganz simpel erklärt, funktioniert unsere Verdauung am Besten, wenn wir uns gänzlich ungestresst dem Essen widmen. Essen ist schliesslich ein Genussthema und der Körper sollte auch voll und ganz auf darauf eingestellt sein. Aus diesem Grund sollte der Akt des Essens auch nicht zwischen Tür und Angel erledigt werden. Ist man gestresst, funktioniert die Nahrungsmittelassimilation um ein Vielfaches schlechter und es sollte auch nur gegessen werden, wenn wirkliche Hungergefühle da sind.
Aus Gewohnheit?
Viele Menschen essen allerdings aus den verschiedensten anderen Gründen. Da wäre z.B. der Fall immer zu starren Tageszeiten zu essen, ganz egal, ob man nun Hunger hat oder nicht. Eine gewisse Regelmässigkeit hat mit Sicherheit nichts Verwerfliches, dennoch sollte man vorher ein wenig in sich hineinhören, ob auch wirklich Hunger vorhanden ist. Hat man keinen Hunger, sollte man auch nicht essen.
Aus Langeweile?
Suboptimaler wäre es aus purer Langeweile zu essen. Das findet man auch häufig, dass, wenn gerade mal nichts anderes zu tun ist, eine Tüte Chips, Schokolade oder ein paar Sandwiches immer gehen. Liegt ja sonst nichts an... :)
Aus Zeitmangel?
Aber das Allerschlimmste ist komplett unbewusst und in Hektik zu essen. Das ist heutzutage leider die Regel. Der Arbeitstag des heutigen Durchschnittsbürgers ist vollgepackt mit ToDos, Terminen und viel Stress. Zum Essen bleibt da wenig Zeit. Ein Grund warum Fast-Food Ketten boomen wie verrückt. Der stressige Alltag der Menschen ist einfach eine prima Einnahmequelle. Sich schnell im Vorbeigehen etwas vom Imbiss reinzupfeifen ist ja auch viel einfacher als sich in die Küche zu stellen und sich selbst etwas zu machen.
Von all diesen Dingen wollen wir jetzt aber gepflegt Abstand nehmen und uns voll und ganz dem Genuss der Entschleunigung widmen. Essen sollte wieder zum Ritual werden. Nehmt Euch also eine Pause, atmet tief durch, setzt Euch gegebenfalls mit netten Freunden zusammen und nehmt Euch Zeit für die Dinge, die ihr da auf dem Teller habt.
Verdauung ist Arbeit für den Körper
Verdauung bedeutet schliesslich auch "Arbeit" für den Körper und beginnt schon mit dem Kauen. Sobald ihr anfangt zu kauen, wird der Speisebrei mit Speichel vermischt, welcher dann seinerseits Enzyme enthält und die erste Stufe der Kohlenhydratverdauung anschiebt. Übergeht man den Schritt funktionieren die Folgeschritte in der Verdauung um so schlechter. Je mehr Speichel, desto besser, denn der Nahrungsbrei wird durch den Speichel gleitfähiger und kann dann besser die Speiseröhre hinuntergleiten. Dem Magen wird signalisiert, dass da bald was von oben kommt, was dann wiederum die Produktion der Magensäfte anregt. Eine perfekt abgestimmte Kaskade! Faszinierend!
Je länger man seinen Speisebrei also durchkaut, desto günstiger für den Verdauungsprozess. Das macht auch Sinn, da man mit jedem Bissen die Oberfläche des Nahrungsbreis vergrössert, so das die weiterverarbeitenden Enzyme dann nicht mehr so viel ackern müssen.
Was Hänschen nicht lernt...
Leider wusste ich als Kind darüber nichts und vermutlich wäre das auch viel zu kompliziert gewesen. Also habe ich munter weiter jeden Geschwindigkeitsrekord im „Schnellessen“ gebrochen. Letztendlich fängt man dann erst dann an aufzuwachen, wenn sich gesundheitliche Probleme an der Oberfläche zeigen. Dass eine schnelle Essgewohnheit Mitauslöser für Krankheiten sein kann, kommt einen dann schon gar nicht in den Sinn. Ich persönlich war diesbezüglich jedenfalls lange Zeit auf dem falschen Dampfer und bin es trotz des theoretischen Wissens um die Sache gelegentlich immer noch.
Unsinnigerweise nahm ich auch noch an, dass ich durch meine ungesunden Essgewohnheiten meine schlanke Statur aufpeppen könnte. Groß und schlank war ich ja schon immer. In der Schule wollte ich aber immer so athletisch sein, wie die frauenumschwärmten Sportskanonen. Aus diesem Grund fing ich irgendwann an mir „Unmengen“ an Essen in rasender Geschwindigkeit reinzustopfen. Leider mit wenig bis gar keinem Erfolg. Die gewünschte Gewichtszunahme blieb aus. Heutzutage bin ich zumindest so weit, mich so zu akzeptieren, wie ich bin. Zugegeben: als ich vegan geworden bin, sind noch ein paar zusätzliche Kilos abgewandert. Aber das ist mir egal. Schliesslich geht es um meine Gesundheit und nicht darum permanent anderen zu gefallen.
Langsam essen ist auch nicht teuer
Das erste was ich meinen Klienten heutzutage erkläre, ist, dass langsames Essen eine der günstigen und am leichtesten zu erlernenden Techniken ist, um die Verdauung auf ein besseres Level zu heben. Man benötigt dann auch nicht mehr so grosse Mengen, da der Körper die Nährstoffe im Verdauungsprozess wesentlich effektiver assimilieren kann. Ein schlecht gekauter Nahrungsbrei wird ungünstigerweise im Magen nicht komplett aufgelöst und es gelangen unverdaute Brocken in den Dünndarm, wo diese dann nur unzureichend verstoffwechselt werden und anfangen zu gären odern faulen. Keine besonders appetitliche Vorstellung.
Ein weiterer Vorteil des langsamen Essens ist, dass der Körper Zeit bekommt zu realisieren, wann er satt ist. Man fühlt sich wesentlich befriedigter und hat nicht das Gefühl, dass das Essen nur als flüchtiges Erlebnis vorbeigehuscht ist. Zu realisieren, dass der Körper satt ist, bedeutet ebenso, dass man sich viele unnötige Kalorien spart, die man sonst noch zusätzlich in sich hineinschaufeln würde.
Was sagen die Studien?
In einer Studie der University of Rode Island, wurde an 60 jungen Probanden beobachtet, wie die Art zu essen, sich auf die Mengen auswirkte. Dabei kam u.a. heraus:
- Lansamesser konsumierten ca 56g (2 oz) in der Minute
- Mittelmässig schnelle Esser assen in etwa 70g (2,5oz) in der Minute
- Schnellesser verputzten ca. 88g (3,1oz) in der selben Zeit. Ausserdem wurden wesentlich grössere Brocken heruntergeschluckt, als bei den Vergleichsgruppen
Die Schnellesser taten ihrer Verdauung und Ihrem Körper also nichts Gutes, da letztendlich ein riesiger halbdurchgekauter Klumpen im Magen gelandet ist.
In einer anderen Studie an der University of Rode Islands setzte man 60 normalgewichtigen Frauen unter 2 verschiedenen Grundvoraussetzungen einen riesigen Teller Pasta mit Tomatensauce vor. Zum einen sollte dieser schnell aufgegessen werden und zum anderen so langsam wie möglich. Das Ergebnis könnt Ihr Euch vermutlich denken:
- schnell gegessen wurden im Durchschnitt 646 Kalorien in 9 Minuten konsumiert
- langsam gegessen wurden 579 Kalorien in 29 Minuten verzehrt
das sind 67 Kalorien weniger bei 20 Minuten längerer Zeit. Rechnet man auf diese Weise die Kalorien über den Tag hoch, kann da schnell einiges zusammen kommen.
Aber noch eine Sache fiel auf. Nach der schnell verspeisten Pasta verspürten die Frauen bereits nach einer Stunde wieder Hunger, was bei der langsamen Mahlzeit nicht der Fall war. Langsames Essen verschafft einem also über einen längeren Zeitraum mehr Befriedigung und man ist nicht so schnell gewillt sich wieder erneut etwas hinenzustopfen.
Ein paar Tipps zum Abschluss
- Setzt Euch zum Essen in eine ruhige Athmosphäre und vor allem „setzt“ Euch. Esst nicht während der Autofahrt, vor dem Fernseher, oder vor dem Computer.
- Schenkt Eurem Essen die nötige Aufmerksamkeit.
- Wählt Essen, welche auch wichtige Ballaststoffe (frisches Obst und Gemüse) enthalten. Hier muss man von Haus aus mehr Kauen.
- Legt während des Essen mal alles andere zur Seite. Nimm Dir die Zeit. Falls Du mit Freunden an einem Tisch sitzt, nutze die Zeit für ein paar sinnvolle Gespräche
- Setze Dir eine Untergrenze für die Anzahl der Kaubewegungen. Das ist zu Anfang vielleicht etwas anstrengend, aber es hilft ungemein einschätzen zu können wie lange man „tatsächlich“ kaut.
- Nutze kleinere Teller, oder zumindest verschiedene Utensilien beim Essen.
- Sobald Du merkst, dass Dir das Tempo wieder abhaut, halte einfach inne und konzentriere Dich wieder auf die Aufgabe.
- Such Dir einen anderen Langsamesser für den gemeinsamen Genuss.
- Setze Dir einen festen Zeitraum zum essen. 20-30 Minuten pro Mahlzeit dürften ausreichen.
Das soll hier erst einmal als Anreiz reichen, damit Ihr bei Eurer nächsten Mahlzeit mit etwas mehr Bedacht an die Sache geht. Nehmt Euch Zeit für die Entschleunigung. Euer Verdauungstrakt wird es Euch danken. Fall Ihr dennoch einmal weniger Zeit habt, stresst Euch nicht zu sehr. Es ist schliesslich noch kein Meister vom Himmel gefallen.